Am 21. Juni 2017 lud der Bundesverband deutscher Pressesprecher zur zweiten Runde der Diskussionsveranstaltung „PR trifft Journalismus“ ein. Wie geht die heutige Generation beider Lager miteinander um? Ist das Verhältnis von Kooperation oder Konkurrenz geprägt?
Am Panel beteiligten sich Anna-Lena Müller (Microsoft, PR), Nick Marten (Otto GmbH, Corporate PR), Darija Bräuninger (365 Sherpas, PR), Marike Reimann (Chefredakteurin bei ze.tt), Yvonne Beister (BILD Zeitung, Native Advertising) und Martin Gieseler (Journalist bei Bento). Moderiert wurde die Diskussion von Carl-Christoph Nitz, Vorstandsmitglied des Deutschen Journalistenverband Berlin e.V.
Nach der Begrüßung durch Bernd Lammel, dem Vorsitzenden des DJV Berlin e.V., hielt Frau Dr. Carola Dorner einen Impulsvortrag mit dem Thema „Wo beginnt Befangenheit? Können Journalisten auch Public Relations Aufträge annehmen?“ Frau Dorner ist Vorsitzende des Vereins Freischreiber, dessen Mitglieder sich dem Pressecodex verpflichtet haben, wonach es keine Abhängigkeiten oder Interessensverflechtungen geben darf, die die Glaubwürdigkeit des Journalismus in Frage stellen können. Frau Dorner zitierte aus der Selbstverpflichtung der Freischreiber, der Freienbibel
Ich verpflichte mich zur Wahrung der journalistischen Unabhängigkeit.
Ich lege Abhängigkeiten und Interessenverflechtungen offen.
Ich lanciere keine als Journalismus getarnten PR-Beiträge.
Ich lasse mich nicht von zwei Seiten bezahlen.
Solche Praktiken sind mit meinem Verständnis von Journalismus unvereinbar.
Bei den Freischreibern ist daher journalistisches Arbeiten für ehemalige Auftrag- oder Arbeitgeber ausgeschlossen, zumindest für einen längeren Zeitraum.
Nitz wies darauf hin, dass die finanziellen Bedingungen für Journalisten gegenwärtig nicht sehr positiv aussehen und viele Journalisten auf Harz IV Niveau leben. Reporter der Tageszeitung Taz können sich zum Beispiel ohne Nebentätigkeiten meist nicht über Wasser halten. Oft erfolgt daher ein Wechsel in PR Berufe, da es hier bessere Verdienstmöglichkeiten gibt. Nick Marten von Otto wollte ursprünglich Journalist werden. Während seiner Ausbildung sei ihm von vielen Seiten von einer journalistischen Karriere als aussichtslos abgeraten worden. Er landete dann über Nebentätigkeiten in der PR Abteilung bei Otto. Er betonte jedoch, dass ihm diese Arbeit große Freude mache. Eine Rückkehr in den Journalismus kann er sich nicht vorstellen. Er findet es jedoch wichtig, wenn es neben PR auch einen unabhängigen Journalismus gibt. Marike Reimann, Chefredakteurin der ze.tt, sieht die Position der Journalisten nicht so pessimistisch wie das düstere Bild, das in der Einleitung vom Journalisten als Harz IV Empfänger gezeichnet wurde. Yvonne Beister von der BILD Zeitung vertrat die Überzeugung, dass es in der Hauptsache auf gute Stories und Unterhaltungswert ankomme. Die BILD Zeitung beherrsche diese Kunst und das habe die Zeitung nun über 65 Jahre erfolgreich gemacht. Native Advertising wird von ihr in vollem Umfang unterstützt, solange die Inhalte Unterhaltungswert haben und von den Lesern gerne gelesen werden. Eine Auszeichnung von Native Advertising als ’sponsored‘ sieht sie als ausreichende Trennung von Information und Werbung an. Darija Bräuninger sprach als PR Fachfrau für digitale Medien und auch von ihren Erfahrungen als FDP Politikerin. Im Journalismus sieht sie keinen Gegenspieler.
Martin Gieseler von Bento hingegen sieht in der Verwässerung des Journalismus durch Native Adervertising und PR eine Gefahr. Er sieht das Risiko, dass der unabhängige Journalismus immer mehr in den Hintergrund rückt und Firmen, die über entsprechende finanzielle Mittel verfügen, durch PR zunehmend die öffentliche Meinung beeinflussen. Anna-Lena Müller von Microsoft sieht im Journalismus keinen Gegenspieler und ist der Meinung, dass sich beide Bereiche gegenseitig befruchten können. In der anschließenden Publikumsdiskussion wurde das Argument vorgebracht, dass PR Abteilungen Journalisten heute kaum noch die Möglichkeit zu eigener Recherche geben. Journalisten werden meist mit vorgefertigten Medienpaketen abgespeist. Journalisten haben immer seltener die Möglichkeit, selber Fotos anzufertigen oder Interviews zu führen. Viele Anfragen würden gar nicht beantwortet. Anna-Lena Müller fand den Vorwurf nicht gerechtfertigt und meinte, dass es sich dabei um Einzelfälle handeln müsse. Microsoft würde auf alle Anfragen antworten.
Die etwas unglücklich gewählte Schlussfrage von Nitsch an die Panel Teilnehmer lautete: „Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?“ Die wohl ehrlich gemeinten Antworten lauteten dementsprechend „ein Bier“ oder „Urlaub“. Martin Gieseler versuchte, zum Thema zurückzukommen und rief noch einmal dazu auf, für den freien Journalismus zu kämpfen und für journalistische Unabhängigkeit einzutreten.